GIER KILLS NACHFOLGE

Vor 8 Jahren konnten wir einen dieser ganz besonderen Unternehmer als Mandat zu gewinnen. Einen, der sein Unternehmen in nur wenigen Jahren mit unglaublich viel Arbeitseinsatz, viel Disziplin, Mut und Durchhaltevermögen („Jeder Rückschlag ein Kick“) aufgebaut oder besser hochgezogen hat. In wenigen Jahren wurden 2 hochmoderne und ansehnliche Firmengebäude erstellt, 2 Niederlassungen gegründet und eine Mitarbeiterschaft von 120 Personen aufgebaut. Unser erster Gedanke damals: Schnelles Wachstum kostet Geld, vermutlich haben damit die Bilanzen ihre Schwächen. 

...hat uns der Schein getrügt?

Weit gefehlt und wir mussten uns selbst an die Finance-Nase fassen. Ja, natürlich gab es Verbindlichkeiten, aber es gab auch nicht die üblichen schwarzen Cash-Löcher wie no-show-Familienmitglieder, teure Fahrzeuge, teure Innenausstattungen etc. Auf den Punkt gebracht, das Unternehmen war auf Profit getrimmt, auf Effizienz und gleichzeitig Sparsamkeit. Und alles aber wirklich alles richtete sich am Kunden aus. Ein faszinierendes Unternehmen.

Für diesen Unternehmer durften wir eine Nachfolgelösungen umsetzen. Schon die Mandatsvergabe war ein kleines Fest. Doch wie so oft, manche Feste enden mit einem Kater. Wie kam es dazu?

Das Projekt begann mit der erforderlichen und üblichen Aufgabe: Analyse der Finanzen, Unternehmensbewertung, Prozessstrategie, Investorenunterlagen erstellen…you name it we did it.

Und es lief gut an, ich meine wann kann man ein Unternehmen mit hohen Wachstumsraten, höherem zweistelligem Millionenumsatz und ebenso knapp zweistelligen EBITs verkaufen? Selten. Sofern Sie ein Berater aus unserem Segment sind und dieses lesen, werden Sie mir vermutlich zustimmen.

Wenn der Unternehmenswert längst schon vor der Bewertung feststeht... 

Die Unternehmensbewertung war solide nach verschiedenen Methoden durchgeführt und natürlich haben wir auch den planerischen Blick in die Zukunft des Unternehmens gewürdigt. Sprich wir haben die Planung für die nächsten 3 Jahre ebenso wie die Vergangenheit gewichtet. Im Vordergrund der Bewertungsmethoden stand immer das allseits bekannte Multiplikator Verfahren und erfahrene Bewerter werden jetzt argumentieren, daß dieses etwas zu kurz greift und möglicherweise zu ungenau sei. Mag sein, aber dem Mandanten war dies reichlich egal. Ganz im Gegenteil – unser Mandant bestand auf einen hohen Multiplikator-Faktor, frech mit der Bemerkung: Das ganze Abzinsungsverfahren versteht doch eh niemand. Der Mandant ist König, richtig? So haben wir es gesehen und anstatt dem Mandanten auf Augenhöhe zu begegnen, nahmen wir ihm den Königsstatus ab und stimmten zu. Wird schon gutgehen – zweistellige Multiples reflektieren auch zweistellig Wachstumsraten, zwei…Sie wissen schon. Und schließlich ist es auch nicht ungewöhnlich, mit etwas höheren Werten in den Markt zu gehen und zu sondieren. Also los gings.

...und so wird der Spatz in der Hand allmählich die Taube auf dem Dach!

Und wieder war die Überraschung auf unserer Seite und nun wurden alle Bedenken restlos weggewischt. Bei nur wenigen Ansprachen (Sie ahnen es: Zweistellig!) gab es 2 Finanzinvestoren, die keinen Schmerz mit den hohen Multiples hatten. Vermutlich war der Anlagedruck enorm. Und die Story nahm ihren Lauf. Unternehmenspräsentation, Austausch von Unterlagen, LOI – beginnende Due Diligence. Alles lief weitestgehend reibungslos, selbst die oft mühsame Aufbereitung und Bereitstellung umfangreicher DD-Unterlagen über den Datenraum. Es lief.

Ein Schelm, wer denkt, dass wir nun schon an unsere Provision gedacht haben. Denn es lief ja alles. Gut – meinen Mandanten sage ich immer, dass man bis zum Closing höchst aufmerksam sein sollte und der laufende Prozess intensiver Betreuung bedarf. Nun, es lief ja.

Unser Mandant sah das auch so und wenn die beiden interessierten Finanzinvestoren, die auch noch um diesen Erwerbswettbewerb wussten, so sehr an seinem Unternehmen interessiert waren, dann stimmte etwas nicht mit dem möglichen Kaufpreis. Das Problem war rasch erkannt: Die Bewertung war viel zu niedrig bzw. die Planung war zu konservativ. Also – der Mandant besserte nach, fand noch Kunden im Portfolio, die maßgeblich zum noch stärkeren Wachstum beitragen werden und forderte uns auf, die Bewertung anzupassen. Nicht die Multiples, das wäre zu offensiv gewesen, sondern die Umsätze der nächsten 3 Jahre. Wir waren dann letztendlich im Enterprise Value um 15% höher. „Bitte gebt dies so weiter“, war die Aufforderung des Mandanten.

...und wenn die anderen Felle so langsam davonschwimmen!

Die Stimmung wurde auf Erwerberseite merklich schlechter, aber auch als Käufer gibt man nicht so schnell auf. Schließlich hatte man auch schon einiges an Zeit und Geld (Due Diligence!) investiert. Es kam wie es kommen musste – einer der Investoren (Private Equity) stieg aus, die anderen akzeptierten. Voller Freude, nun der einzige Interessent zu sein und den Deal demnächst in trockene Tücher zu bringen. Der Zeitplan bis zum Übergang wurde gemacht, erste Notartermine avisiert und Signing und Closing damit in Sichtweite gebracht. Nun, ganz ehrlich, was soll jetzt noch schiefgehen?

Am Abend – später Abend – rief mich mein Mandant an. Es wäre doch sein Unternehmen, danach könnte er nicht mehr verhandeln und er würde eine Perle, ja einen Diamanten weitergeben. Und dann wären da noch die Steuern, die ja auf den Kaufpreis anfallen. Na sowas. Wir sollen nicht nachfordern, sondern noch direkter, wir sollen den verbleibenden Investor auffordern, selbst nachzubessern. Nein, noch besser, meinte mein Mandat: Er würde das selbst tun. Schließlich ist es sein Unternehmen und nur er weiß, wie man auch in Zukunft zweistellig (sic!) wachsen könnte. Dieses Gespräch muss natürlich persönlich stattfinden, unter Teilnahme der relevanten Personen. Tat es dann auch.

...und wenn man mal so richtig daneben liegt mit der eigenen Vermutung...

Haben Sie schon einmal erlebt, dass auch durchaus im Juni ein Kälteeinbruch auftreten kann? So geschehen an diesem wunderschönen Sommertag vor 8 Jahren. Der Investor hat sich nach den Ausführungen unseres Mandanten nicht zurückzogen, um sich zu besprechen, keine langen Begründungen für die nochmalige Werterhöhung anhören wollen. Unsere Gegenüber haben rasch ihre Ablehnung signalisiert, dann einfach Ihre Mappen zugeklappt und sind gegangenen – höflich, aber klar. Man könne sich ja nochmals melden, wenn man es sich anders überlegen würde. Gerne, jederzeit. Mein Mandant war noch im Siegestaumel: „Die melden sich schon wieder, das ist nur ein Spiel, der übliche Verhandlungspoker.“

Der typische Verhandlungspoker kann sich durchaus lange hinziehen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es nicht etwas lange wird – heute, nach 8 Jahren, unser Mandant geht auf die 70 zu. Noch immer im Unternehmen, noch immer keine Lösung, die Familie wohnt inzwischen weit entfernt. Der 3te Geschäftsführer verschlissen.

Damals ein ziemlich schmerzhafter Prozess für uns als Berater, denn wir haben trotz klarer Anzeichen die Warnsignale eines kippenden Prozesses nicht wahrgenommen. Schmerzhaft auch deshalb, weil provisionslos. Aber bekanntlich ist Lernen oftmals ein teures Vergnügen.

Für unseren Mandanten aber läuft die Zeit weiter. Und dann denke ich mir, was ist ein höherer Kaufpreis sprich mehr Geld gegen Lebenszeit. Geld, welches es letztendlich nicht gab.

DAS FAZIT AUS DER GESCHICHTE?

Unternehmenswerte und letztendliche Kaufpreise müssen immer für alle Beteiligte passen und vor allem müssen diese Prozesse fair und auf Augenhöhe ablaufen (der Mandant ist wichtig, aber eben nicht als König!). Und auch in der sensiblen Sicherstellung dieser Ausgewogenheit liegt eine wesentliche Aufgabe eines guten Transaktionsberaters.


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Ihr Harald Fischer

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