Das Substanzwertverfahren – Erläuterung, Vorgehen und Ergebnisverwendung
Wie der Name schon sagt, wird bei der Verwendung des Substanzwertverfahrens der Wert eines Unternehmens anhand der „Substanz“, sprich den Vermögenswerten des Unternehmens, abgeleitet. Es werden also alle Maschinen, die Geschäftsausstattung, das Inventar mit Roh- und Betriebsstoffen, Forderungen gegenüber Kunden und sonstigen Vermögenswerten wie Umsatzsteuerforderungen oder Ähnliches, sowie Immobilien die sich im Eigentum des Unternehmens befinden einzeln bewertet und aufaddiert um den Wert des Unternehmens festzustellen.
Deswegen ist das Substanzwertverfahren auch ein sog. Einzelbewertungsverfahren.
Ist der Wert der Aktiva (Vermögenswerte, sprich Anlagevermögen und Umlaufvermögen) bestimmt, werden alle bestehenden Verbindlichkeiten (Lieferantenverbindlichkeiten, Steuer- und Personalverbindlichkeiten, aber auch Bankdarlehen oder Pensionsverpflichtungen o.Ä. vom Wert der Aktiva abgezogen. Die Residualgröße bestimmt den Wert des Eigenkapitals des Unternehmens.
Grob dargestellt ergibt sich folgendes Bewertungsschema:
Wert der einzelnen Vermögensgegenstände
./. Wert der Schulden
= Substanzwert
Eine besondere Rolle bei der Anwendung des Substanzwertverfahrens spielt der Anlass der Bewertung. So ist der ermittelte Substanzwert bei einer Bewertung zwecks Liquidation der einzelnen Vermögenswerte oft ein anderer, als ein solcher der unter der Prämisse der Unternehmensfortführung bestimmt wird („Going-Concern-Prämisse“).
Die verschiedenen Bewertungsmethoden für die angesprochenen Anlässe heißen Liquidationswertverfahren und Reproduktionswertverfahren (im englischen oft „Green-Field-Investment“).
Liquidationswertverfahren
Ersteres unterstellt die sofortige Auflösung des Unternehmens und bewertet die vorhandenen Vermögensgegenständen mit dem aktuell und kurzfristig erzielbaren Preis bzw. Verkaufspreis auf einem freien Markt für den jeweiligen Vermögensgegenstand. Dieser sogenannte Liquidationswert liegt oft unterhalb des bilanzierten Buchwerts des Vermögensgegenstandes, da für betriebseigene Maschinen oft kein adäquater Abnehmer gefunden werden kann oder ein Abverkauf von Fertigerzeugnissen zu Abschlägen beim Preis führen kann. Der Gegenposten (Verbindlichkeiten) wird mit dem Wert angesetzt, der heute bezahlt werden müsste um die Verbindlichkeit zu erfüllen bzw. zu tilgen. Als zusätzlicher Abzugsposten kommen oftmals Liquidationskosten hinzu (Auktionsgebühren, Berater, Rechtsanwälte etc.), welche gerade bei Liquidationen oftmals nicht zu unterschätzen sind.
Es ergibt sich folgendes Schema beim Liquidationswertverfahren:
Liquidationserlöse des gesamten betrieblichen Vermögens
./. Wert der Schulden
./. Liquidationskosten
= Liquidationswert
Dem Liquidationswert kommt insbesondere eine große Rolle bei Restrukturierungen oder Sanierungen zu. Hier dient dieser zur Abwägung zwischen Schließung und Fortführung eines Unternehmens, da der Liquidationswert bei Unternehmen in der Krise oftmals negativ ist.
Reproduktionsswertverfahren
Das zweite in der Praxis relevante Substanzwertverfahren ist der Reproduktionswertverfahren. Bei diesem Verfahren werden die im Unternehmen vorhandenen Vermögensgegenstände nicht zu Verkaufspreisen, sondern zu Anschaffungs – bzw. Herstellungskosten bewertet. Die Idee des Reproduktionswertverfahrens ist, dass der Wert des Unternehmens daran bemessen wird, wieviel es einen Dritten Kosten würde ein identisches Unternehmen zu „erstellen“. Natürlich ist eine identische Abbildung eines Unternehmens nicht möglich, dies scheitert schon an den Arbeitsverhältnissen, Kundenbeziehungen und anderen immateriellen Vermögenswerten. Jedoch kommt die physische Replikation des Unternehmens durch das Reproduktionswertverfahren dem echten Wert einer Unternehmung oft sehr nahe.
Betriebsnotwendiges Vermögen wird demnach mit dem Wert bewertet, welcher aufgewendet werden müsste, um den Vermögensgegenstand aktuell am Markt zu erwerben. Maschinen werden zu Neupreisen (abzüglich der erfolgten Abnutzung), Fertigerzeugnisse zu Herstellungskosten angesetzt. Bei diesem Verfahren kommt es oft zu einer Bewertung der Aktive über dem bilanzierten Buchwerten, da stille Reserven, zum Beispiel bei der Bewertung von Immobilien und anderem Anlagevermögen, gehoben werden. Zusätzlich zu den ermittelten Reproduktionswerten des betriebsnotwendigen Vermögens wird der aktuelle Liquidationswert von nicht betriebsnotwendigem Vermögen hinzuaddiert. Als Beispiel zu nennen wären Genossenschaftsanteile, die für das eigentliche operative Geschäft nicht benötigt werden, aber dennoch einen Vermögenswert darstellen. Von dem ermittelten Wert aller Aktiva wird erneut der Gegenwert aller aktuellen Verbindlichkeiten subtrahiert.
Es ergibt sich folgendes Schema beim Reproduktionswertverfahren:
Reproduktionswert des betriebsnotwendigen Vermögens
+ Liquidationswert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens
./. Wert der Schulden
= Reproduktionswert
Das Reproduktionswertverfahren wird oftmals dafür verwendet, wenn Expansionsstrategien ins Ausland abgewogen werden. So werden die Kosten einer Akquisition eines Unternehmens im Zielland oft mit den Reproduktionswerts des Zielunternehmens abgewogen um zu bewerten, ob die Eröffnung einer eigenen Niederlassung der Akquisitionsstrategie nicht vorgezogen werden sollte. Des Weiteren ist das Reproduktionswertverfahren auch dann von Relevanz, wenn in einem Unternehmen viele stille Reserven vermutet werden und die aktuelle Cashflow-Situation nicht den Substanzwert der Aktiva widerspiegelt.
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